Reise zur Selbstfindung:
Die Komplexität des Körper-Selbstbildes bei Jugendlichen
Die Adoleszenz ist eine Zeit intensiver Veränderungen und Entdeckungen. Eine Zeit, in der Jugendliche nicht nur körperlich, sondern auch emotional und psychisch wachsen. Inmitten dieser turbulenten Phase spielen Identitätsfindung und Selbstbild eine entscheidende Rolle. Insbesondere das Körper-Selbstbild steht im Fokus vieler Jugendlicher, da der Körper nicht nur ein physisches Gefäss ist, sondern auch ein Spiegelbild der eigenen Identität.
Aufbau von Selbstkonsistenz und Integrationsleistung
Das Erwachsenwerden ist geprägt von der Suche nach Selbstkonsistenz, einem Gefühl der inneren Kohärenz und Kontinuität des Selbst. Diese Suche nach Identität beinhaltet die Integration verschiedener Aspekte des Selbst, einschliesslich des Körper-Selbstbildes. Jugendliche müssen sich nicht nur mit den psychosexuellen und psychosozialen Veränderungen auseinandersetzen, sondern auch eine Orientierung in der Erwachsenenwelt finden. Dieser Prozess erfordert eine beträchtliche Integrationsleistung, da Jugendliche ihren neuen Körper mit ihrem Selbstkonzept in Einklang bringen müssen.
Aufschub erwachsener Verpflichtungen und Identifikationsverhalten
In dieser Zeit ist es üblich, dass Jugendliche erwachsene Verpflichtungen aufschieben, da sie noch dabei sind, ihre Identität zu formen und ihre Interessen zu entdecken. Stattdessen engagieren sie sich häufig in einem intensiven Identifikationsverhalten, welches dazu führt, dass sie sich mit Gleichaltrigen, Idolen oder bestimmten Gruppen identifizieren, um ein Gefühl der Zugehörigkeit und Orientierung zu finden.
Körperliche Veränderungen und interindividuelle Unterschiede
Ein wesentlicher Bestandteil der Identitätsfindung ist die Auseinandersetzung mit den körperlichen Veränderungen, die während der Adoleszenz auftreten. Zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr erleben Mädchen und Jungen Wachstumsschübe, die zu grossen interindividuellen Unterschieden führen können. Die Asynchronie im Wachstum der Körperteile kann zu einem schlaksigen oder rundlichen Aussehen führen, für welches Jugendliche sich eventuell schämen.
Einfluss des Reifegrads auf das Selbstbild
Es gibt deutliche Unterschiede zwischen frühreifen und spätreifen Jugendlichen in Bezug auf ihr Körper-Selbstbild und ihre psychosoziale Anpassung. Frühreife Jugendliche, insbesondere Jungen, geniessen oft ein höheres soziales Ansehen und sind tendenziell zufriedener mit ihrem Körper. Im Gegensatz dazu können spätreife Jugendliche sich unausgeglichener und unzufriedener fühlen, da sie möglicherweise nicht mit ihren Altersgenossen mithalten können.
Geschlechterspezifische Unterschiede und gesellschaftliche Normen
Die gesellschaftlichen Normen und Erwartungen in Bezug auf das Körper-Selbstbild unterscheiden sich je nach Geschlecht. Mädchen erleben oft eine grössere Unzufriedenheit mit ihrer Erscheinung, insbesondere mit zunehmendem Alter. Das Schlankheitsideal, das von den Medien und der Gesellschaft gefördert wird, kann zu einem negativen Körper-Selbstbild und einem erhöhten Risiko für ungesunde Verhaltensweisen wie Diäten und Essstörungen führen. Inwiefern die jüngsten Entwicklungen der «body positivity» hier Gegensteuer geben, bleibt abzuwarten.
Unterschiedliche Perspektiven von Eltern und Jugendlichen
Jugendliche erachten die Identitätsfindung oft als wichtiger denn ihre Eltern. Während Jugendliche den Fokus auf Gleichaltrige, den eigenen Körper, persönliche Werte und Intimität legen, konzentrieren sich Eltern oft auf den beruflichen Erfolg und die Zukunft ihrer Kinder.
Diese Diskrepanz zwischen den Perspektiven von Jugendlichen und ihren Eltern kann zu Konflikten führen, insbesondere wenn die Erwartungen der Eltern nicht mit den Bedürfnissen und Prioritäten der Jugendlichen übereinstimmen. Es ist daher wichtig, dass Eltern sensibel für die Bedürfnisse und Herausforderungen ihrer Kinder sind und ihnen Raum geben, sich selbst zu entfalten und ihre Identität zu erkunden, auch wenn dies von den eigenen Vorstellungen abweicht.
Fokus auf eigene Ressourcen
Identitätsfindung bei Jugendlichen ist eine komplexe und individuelle Reise, die von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst wird. Das Körper-Selbstbild spielt eine zentrale Rolle in diesem Prozess, da es nicht nur die physische, sondern auch die emotionale und psychische Entwicklung der Jugendlichen beeinflusst. Körpertherapien können Jugendliche in dieser sensiblen Phase unterstützen. Einerseits nimmt der nonverbale Zugang zu sich selbst Druck weg von den Vorstellungen im Kopf. Andererseits fördert die Therapie das Gefühl der Selbstermächtigung. Sich als Jugendliche auf eine Körpertherapie einzulassen, braucht vielleicht etwas Überwindung. Doch wenn das Vertrauen zur TherapeutIn aufgebaut ist, überwiegen die Vorteile der Entspannung und die Fokussierung auf die eigenen Ressourcen.
Text: Anita Oswald
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