Shiatsus Antwort auf den Sirenengesang der Tech-Welt

Social-Media-Kolosse, riesige Streaming-Plattformen und E-Commerce-Giganten liefern sich einen erbitterten Kampf um unsere Aufmerksamkeit und setzen subtile Taktiken ein, um unser Interesse zu wecken und uns so lange wie möglich an unsere Bildschirme zu fesseln.

Wer sich selbst als leicht oder weniger leicht süchtig nach Bildschirmzeit empfindet, sollte etwas Nachsicht walten lassen. Einige der klügsten Köpfe des Jahrhunderts wurden von der Technologiebranche rekrutiert, um die Zeit, die wir vor unseren Bildschirmen verbringen, zu maximieren − heutzutage meist zur Gewinnsteigerung der Aktionäre.

Aber zu welchem Preis? Sicher, uns wird ein Sammelsurium an personalisierten Auswahlmöglichkeiten angeboten, ein einfacher und schneller Zugang zu Produkten, Informationen und Unterhaltung, von denen wir früher nur träumen konnten. Aber ist das eine befreiende Erfahrung oder ein goldener Käfig? Ein Käfig, der unsere geistige und körperliche Gesundheit gefährdet, uns in einem Kreislauf der Polarisierung und Einsamkeit gefangen hält und unsere Fähigkeit behindert, gesunde, sinnvolle Beziehungen einzugehen? Diese Beurteilung überlasse ich den LeserInnen.

Besonders gefährdet: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene

Bestimmte Personen-Gruppen sind aber sehr viel stärker gefährdet als andere: Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit ihren sich noch entwickelnden Gehirnen und sozialen und emotionalen Welten sind für diese Verlockungen besonders empfänglich. Deshalb halten sogar einige der Entwickler von Apps und Technologien, mit denen wir so viel Zeit verbringen, sie von ihren eigenen Kindern fern.

Tatsächlich gibt es einen beunruhigenden Zusammenhang zwischen der verstärkten Nutzung bestimmter sozialer Medienplattformen − Plattformen, die angeblich verlangen, dass die NutzerInnen ein bestimmtes Mindestalter haben – und steigenden Raten von Depressionen bei Heranwachsenden.

Darüber hinaus wird die exzessive Bildschirmnutzung mit einer Reihe von Problemen in Verbindung gebracht, wie z. B. der Zunahme von Körperdysphorie, durch die Allgegenwart unrealistischer, cartoonhafter Schönheitsstandards, mit einem erhöhten Risiko von Sprachentwicklungs-Verzögerungen bei Kindern und einem gestörten Schlaf. Diese Faktoren können psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände noch verschlimmern.

So funktioniert der Sirenen-Gesang der Plattformen

Soziale Medien und E-Commerce-Plattformen setzen eine Reihe von verhaltensbezogenen und psychologischen Techniken ein, um das Engagement der NutzerInnen zu erhöhen. Sie benützen dazu häufig Mechanismen, die den Kern der Plattformsucht bilden. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Unmittelbares Feedback: Plattformen bieten unmittelbare Reaktionen auf Benutzeraktionen. Dazu gehören Likes, Kommentare und Benachrichtigungen, wenn jemand mit unseren Inhalten interagiert oder uns folgt. Diese unmittelbaren Reaktionen helfen den NutzerInnen, sich mit ihrer Online-Community verbunden und engagiert zu fühlen.
  • Engagement-Schleife: Es entsteht ein kontinuierlicher Interaktionszyklus, wenn wir Inhalte veröffentlichen und Feedback erhalten, der uns wiederum dazu anregt, erneut etwas zu veröffentlichen und auf der Plattform aktiv zu bleiben.
  • Push-Benachrichtigungen werden verwendet, um uns wieder auf die App oder Website zu locken, oft mit Nachrichten, die Neugier wecken und Dringlichkeit suggerieren.
  • Personalisierte Feed-Algorithmen, die den NutzerInnen auf der Grundlage ihrer bisherigen Interaktionen angezeigt werden, passen die Inhalte an und sorgen dafür, dass die NutzerInnen mit den für sie interessanten Inhalten beschäftigt bleiben.
  • Virtuelle Belohnungen: Belohnungssysteme wie Abzeichen, Punkte oder Stufen werden verwendet, um die weitere Nutzung der App oder Website zu fördern.

Diese Techniken machen sich unsere natürlichen Tendenzen zunutze, das Engagement zu erhöhen und tragen zur Schaffung starker Gewohnheiten und potenzieller Abhängigkeit bei.

Das Empfinden der Jugendlichen

Im Durchschnitt beschäftigen sich Teenager täglich vier Stunden lang mit digitalen Plattformen und überprüfen ihr Telefon etwa 30 Mal. Sie verbringen mehr Zeit online und interagieren häufiger mit ihren Geräten als Erwachsene. Trotz der Anziehungskraft, die die digitale Vernetzung ausübt, werden ihre Auswirkungen auch von den NutzerInnen selbst nicht durchweg positiv beurteilt: Etwa die Hälfte der Teenager berichtet von gemischten Gefühlen über ihre Online-Erfahrungen. Etwa ein Drittel macht sich Sorgen, etwas zu verpassen und fühlt sich durch Apps, die zu ständiger Beschäftigung anregen, genötigt. Fast 25 % der Jugendlichen fühlen sich unwohl, wenn sie für längere Zeit nicht online sind.

Weibliche Teenager reagieren besonders empfindlich auf die negativen Auswirkungen ständiger Online-Aktivität.

Die Erwartung von sofortigen Online-Antworten ist allgegenwärtig: 85 % der Teenager glauben, dass schnelle Antworten erforderlich sind. Diese Wahrnehmung beeinflusst in erheblichem Masse die Art der sozialen Interaktionen und Beziehungen während der Adoleszenz, was die tiefgreifenden Auswirkungen des digitalen Engagements auf diese Entwicklungsphase verdeutlicht.

Möglicher Beitrag von Shiatsu?

Für uns ist es interessant zu erkunden, ob komplementärtherapeutische Methoden wie Shiatsu als Gegengewicht zum Drang, zum Bildschirm zurückzukehren, fungieren können, indem sie den Fokus zurück auf die Zeit für sich selbst verlagern.

Shiatsu unterstützt Menschen darin, durch ein tiefes und zentriertes Berührtwerden körperlich und geistig zu entspannen und innere Ruhe, Öffnung und Weite zu erfahren.

Die achtsame Berührung im Shiatsu, seine spezifischen Dehnungen und Rotationen, bewirken, dass der Empfangende wieder in einen aufmerksamen Kontakt mit seiner eigenen Körperlichkeit kommt und sich die Aufmerksamkeit bewusst verlagert. Shiatsu hilft so, den Fokus von der Lawine flüchtiger und aufdringlicher äusserer Reize des Bildschirms zurück auf die eigenen unmittelbaren Gefühle und Erfahrungen zu lenken. Diese Verlagerung der Aufmerksamkeit ist ein erster Schritt zur Wiederherstellung des Gleichgewichts.

Shiatsu-Behandlungen können so − manchmal trotz anfänglichen Unbehagens aufgrund mangelnder Gewohnheit, sich mit sich selbst zu konfrontieren − zu einem Weg hin zu einer Verbesserung des Selbstbildes, einer Verringerung der Körperdysphorie und sogar zu einer Steigerung des Selbstwertgefühls werden.

Förderung gesünderer Gewohnheiten

Eine Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens kann unsere Fähigkeit erhöhen, produktiveren oder erfüllenderen Aktivitäten nachzugehen, die kein Suchtverhalten fördern. So entsteht ein positiver Kreislauf, welcher das zwanghafte Bedürfnis verringert, auf Reize zurückzugreifen, um Erleichterung zu finden. Dies führt zu einem besseren Gleichgewicht im Alltag.

Wenn sich der Körper entspannt, folgt auch der Geist und ebnet den Weg für eine realistischere und sanftere Selbsteinschätzung.

Achtsamkeitsübungen und Hinwendung zum eigenen Körper, vermittelt durch die Shiatsu-TherapeutInnen, können den Weg ebnen, sich selbst neu zu entdecken, als Alternative zur Flucht in die Verlockungen des Bildschirms.

Indem es den Kontakt mit unseren Empfindungen verstärkt, wird Shiatsu zu einem Werkzeug, wieder Einfluss und Autonomie über das eigene Wohlbefinden zu erlangen. Wir können in der Tat wieder lernen, zu erkennen, was wir brauchen und uns von dem befreien, was wir nicht brauchen.

Eigene Bedürfnisse wahrnehmen und respektieren

Die Verringerung von Ängsten und die Verbesserung der Stimmung haben einen erheblichen Einfluss auf unsere Bildschirmabhängigkeit. Wenn wir unangenehmen Gefühlen weniger ausgeliefert sind, auf ihre Botschaft hören, ohne uns mit ihnen zu identifizieren, sind wir weniger geneigt, Trost oder Ablenkung in digitalen Geräten oder in der Selbstmedikation zu suchen.

Wiederholte Erfahrungen in diesem Sinne ermöglichen es ein Gefühl der Befähigung zu entwickeln. Wir werden befähigt, unsere eigenen Bedürfnisse besser zu definieren und zu respektieren. Dies ist auch eine solide Grundlage für die Schaffung eines ausgewogenen Selbstwertgefühls, ein wichtiges Gegenmittel für Gefühle der Angst, des Kummers und des Selbstverlusts. Wenn wir lernen, uns um unseren Körper zu kümmern und seine Bedürfnisse zu verstehen, können wir ausgeglichener, selbstbewusster und verbundener agieren.

Eintauchen in körperliche Räume

Wo Teenager in eine digitale Landschaft eintauchen und sich in einer Welt bewegen, in der Bildschirme ständige Aufmerksamkeit verlangen, erlaubt Shiatsu, zu erfahren, wie das Abschalten von Online-Räumen und das Eintauchen in ein Reich des körperlichen und geistigen Wohlbefindens eine echt transformative Erfahrung sein kann. Diese Praxis ermutigt Teenager, sich jenseits des digitalen Rauschens wieder auf sich selbst zu besinnen und ein ausgeglichenes Leben zu führen, in welchem Geist und Körper in Harmonie sind.

Text: Alice Zagato

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