Vom Säugling zum Schulkind: Begleitung mit Shiatsu

Selbständig essen lernen, Sprache verstehen und entwickeln. Seine eigenen und die Gefühle der Mitmenschen kennenlernen und einen Umgang damit finden. Sitzen, kriechen, laufen, klettern und Velo fahren: Wohl kaum eine Entwicklungsspanne geht mit so vielen starken Veränderungen in allen Lebensbereichen einher wie die ersten sieben Lebensjahre!

Entscheidend für das spätere Leben
All diese Entwicklungsschritte verlaufen im Allgemeinen auf natürliche Art und Weise, individuell und ohne Komplikationen, insbesondere wenn das Kind in einem angemessenen Umfeld aufwachsen kann und ihm von seinen Bezugspersonen wohlwollende Unterstützung und Aufmerksamkeit zuteilwird. In dieser entscheidenden Phase der menschlichen Entwicklung machen die Kinder Erfahrungen, welche die Qualität ihrer Gesundheit, ihres Wohlbefindens und ihres Verhaltens ihr ganzes Leben lang mitbestimmen werden.

Veränderungen sind Herausforderungen und können auch überfordern
Jedoch können äussere Umstände wie Umzug, belastendes familiäres Umfeld, neue Geschwister oder auch innere Faktoren wie Krankheit oder Entwicklungsverzögerungen dazu führen, dass in dieser Lebensphase Komplikationen auftreten.
Damit zusammenhängende Symptome können Ängste, Traurigkeit, Wut oder Aggressivität sein. Aber auch Appetitlosigkeit, Ein- oder Durchschlafprobleme sowie Kopf- und Magenschmerzen können auf ein körperliches, seelisches oder psychisches Ungleichgewicht hinweisen.

Ein Beispiel aus der Shiatsu-Praxis
Eine Mutter kam mit ihrer 5-jährigen Tochter zu mir in die Praxis, weil diese nicht mehr alleine einschlafen konnte und auch im Bett der Mutter jeweils erst gegen Mitternacht den Schlaf fand. Sarah war dadurch oft müde und konnte sich im Kindergarten nicht gut konzentrieren. Der Kinderarzt hatte für die Schlafprobleme keinen Grund finden können.
Beim ersten Treffen zusammen mit der Mutter war Sarah noch etwas schüchtern und zurückhaltend. Bei der zweiten Shiatsu-Behandlung, während eines spielerischen Gesprächs und einer einfachen Familienstellung mit Tieren, kamen viele wichtige Details ans Tageslicht. Die Familie war erst kürzlich umgezogen, der Grossvater ein paar Wochen zuvor verstorben, und den Vater, welcher in Spanien lebt, konnte sie wegen Covid-19 nicht mehr besuchen.
Dies waren offensichtlich einige grosse Veränderungen für das Mädchen. Auch die Mutter hatte nach diesem Gespräch mehr Verständnis für das Verhalten ihrer Tochter.
Ich zeigte der Mutter, wie sie Sarah ein Kinder-Shiatsu geben kann. Von da an wurde dies zum allabendlichen Ritual der beiden. In der Praxis behandelte ich meist die vordere Meridian-Familie, um dem Kind wieder Sicherheit, Vertrauen und eine Stärkung der Mitte zu geben.
Sarah kam für sechs Behandlungen über drei Monate verteilt in die Praxis. Nun ist die Therapie abgeschlossen, Sarah schläft wieder alleine gut ein, die Schlafqualität hat sich verbessert, und tagsüber hat sie genügend Energie für den Kindergarten.
Für die Behandlung war es wichtig, dass die Mutter Verständnis für ihre Tochter aufbrachte, ihr Mitgefühl schenkte und ihr das Gefühl gab, dass sie diese Situation gemeinsam meistern würden.

Shiatsu bei Kindern
Da Shiatsu als Methode der KomplementärTherapie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, steht bei der Behandlung nicht die Ursachenerkundung im Zentrum, sondern das Verbessern der Körperwahrnehmung und – gemeinsam mit dem Kind – die Stärkung seiner Selbstwirksamkeit. Shiatsu hilft, das Kind zu erden, Ängste oder Druck abzubauen und ihm ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Dabei unterscheidet sich eine typische Behandlung nicht grundlegend von der Behandlung bei Erwachsenen.
Das Anamnese-Gespräch findet mit den Erziehungsberechtigten statt, bei den nachfolgenden Sitzungen wird auch jeweils eingangs ein kurzes Gespräch geführt. Bei älteren Kindern kann dies auch in Abwesenheit der Eltern geschehen, wenn das Vertrauen des Kindes zur TherapeutIn aufgebaut ist. Kinder sind im Allgemeinen spontaner, direkter und offener als Erwachsene, sie können im Gespräch direkt von der Leber weg erzählen. Genauso sind auch ihre Reaktionen auf eine Shiatsu-Behandlung häufig direkter; Erfolge können oft schon nach wenigen Sitzungen auftreten.
Die Dauer einer Shiatsu-Behandlung richtet sich nach dem Alter des Kindes.
Zum Abschluss können dem Kind (bzw. bei kleineren Kindern den Erziehungsberechtigten) Körper-Übungen oder einfache Meditationen erklärt werden, die beispielsweise das Einschlafen erleichtern.
Viele TherapeutInnen haben eine Fortbildung in Baby-Shiatsu gemacht, welches insbesondere das sich noch in der Entwicklung befindliche Meridiansystem von Babys und Kleinkindern berücksichtigt. Shiatsu-TherapeutInnen, die Kinder behandeln, sind mit KinderärztInnen und -psychologInnen vernetzt und werden ein Kind im Zweifelsfall an diese weiterverweisen.
Da ein Teil der Wirkung von Shiatsu auf der Qualität der Berührung basiert, können sich Eltern auch selber in Kursen oder von einer erfahrenen TherapeutIn einfache Shiatsu-Techniken für die Behandlung ihrer Kinder erklären lassen. Dadurch kann der Kontakt vertieft und die Bindung von Mutter, Vater und Kind gestärkt werden.

Text: Daniela Roos und Andrea Pfisterer

Daniela Roos ist Shiatsu Therapeutin, Komplementärtherapeutin mit Branchenzertifikat OdA KT

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