Shiatsu und die Gesundheit des männlichen Beckens

Ein nicht-invasiver Ansatz für das Wohlbefinden der Prostata

Bei Männern über 50 sind Probleme wie häufiges Wasserlassen, das Gefühl einer unvollständigen Blasenentleerung oder der mehrmalige nächtliche Toilettenbesuch, weit verbreitet. Die Ursache dafür ist häufig eine gutartige Prostatahyperplasie (BPH), eine altersbedingte Erkrankung, die zwar nicht schwerwiegend ist, aber die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann.

Neben pharmakologischen Behandlungen und regelmässigen Kontrolluntersuchungen kann die nicht-invasive Körperarbeit des Shiatsu – angewandt auf die Meridiane sowie die Bauch- und Beckenregion – sehr hilfreich sein.


Ein System unter Spannung
Die Beckenregion, welche Prostata, Blase und Beckenboden umfasst, wird stark vom autonomen Nervensystem beeinflusst. Bei chronischem Stress entwickeln viele Männer unbewusst ständige Abwehrkontraktionen im Unterbauch, die Funktionsstörungen der Harnwege verschlimmern können.

Jüngste Studien (1) weisen darauf hin, dass Störungen des unteren Harntrakts (Lower Urinary Tract Symptoms, kurz LUTS genannt) nicht allein auf eine Prostatavergrösserung zurückzuführen sind, sondern auch neuromuskuläre und psychosomatische Faktoren eine Rolle spielen. Verspannungen der Beckenbodenmuskulatur und – typisch für Stress – eine Überaktivierung des Sympathikus können den Harnfluss verringern und die Wahrnehmung von Harndrang verschlimmern.

In diesem Zusammenhang bietet Shiatsu eine spürbare, nicht-invasive Unterstützung, indem es auf den Körper als Ort der autonomen Regulation einwirkt.


Shiatsu: Stimulierung der Entspannung ohne Invasion
Bei der Behandlung der Becken- und Bauchregion zielt Shiatsu darauf ab:
_den Energiefluss zu regulieren, tiefe Verspannungen zu lösen und die lokale Durchblutung anzuregen.
_das Gleichgewicht des autonomen Nervensystems zu fördern (Beruhigung der sympathischen Überaktivierung).
_die Sensibilität und den bewussten Kontakt mit einem Bereich, der oft vernachlässigt oder ignoriert wird, wiederherzustellen.

Das Ziel ist nicht, die Prostata zu «heilen», sondern günstige körperliche Bedingungen zu schaffen, damit das Beckensystem besser funktionieren kann: weniger Kontraktion, mehr Bewusstsein, mehr Geschmeidigkeit.


Fallstudie: Das Becken neu wahrnehmen und verstehen
Josh, 60 Jahre alt (Name geändert), ist Manager im Vorruhestand und weist eine milde bis mässige Ausprägung einer BPH auf. Er nimmt seit einigen Monaten einen Alphablocker ein, der seine Symptome nicht vollständig gelindert hat: abendlicher Harndrang, das Bedürfnis, 2-3 Mal pro Nacht auf Toilette zu gehen, und ein ständiges «Völlegefühl» im Unterbauch belasten ihn weiterhin. Er fühlt sich im Allgemeinen gesund, berichtet aber über chronische Müdigkeit und Bauchverspannungen und betont: «Ich kann meinen Bauch nie richtig entspannen.»

Nach der ersten Konsultation wird eine Serie von zehn wöchentlichen Shiatsu-Sitzungen vorgeschlagen, die sich auf Folgendes konzentrieren:
_Arbeit am Unterbauch und in der Lendengegend
_Stimulierung der Nieren-, Leber-, Gallenblasen- und Blasenmeridiane in der Reihenfolge, in der sie für die Behandlung empfänglich sind
_Verbesserte Selbstwahrnehmung im Becken
_Integration von einfachen Bauchatmungsübungen im Alltag

Während der ersten Sitzungen sind die Bauchmuskeln hart, reaktiv und unbeweglich. Josh bleibt oft still und atmet flach. Nach der dritten Sitzung beginnt er, über neue Empfindungen zu berichten: Kribbeln, Wärme. Bei der sechsten Sitzung bemerkt er einen besseren Schlaf und ein regelmässigeres Wasserlassen.

Am Ende des Behandlungs-Zyklus berichtet Josh, dass er nur noch einmal pro Nacht aufwacht und ein besseres Gefühl der vollständigen Blasenentleerung hat. Seine Körperwahrnehmung hat sich verbessert und er fühlt sich viel weniger gereizt und müde.

Die Therapie wird mit sporadischen Behandlungen zur langfristigen Stabilisierung fortgesetzt, die mit den regelmässigen ärztlichen Kontrolluntersuchungen einhergehen.


Eine ergänzende Unterstützung
Fälle wie der von Josh sind weit verbreitet. Jüngste Studien (2) bestätigen, dass manuelle Techniken zur Beckenentspannung die subjektiven Symptome bei Patienten mit BPH oder LUTS verbessern können, insbesondere wenn chronische Muskelverspannungen und psychosomatischer Stress zusammen auftreten.

In diesem Sinne stellt Shiatsu eine achtsame, nicht-pharmakologische Option dar, die auch für diejenigen geeignet ist, die vor invasiveren Methoden zurückschrecken, sofern diese nicht unumgänglich sind.

Der männliche Körper kann lernen, loszulassen. Bei der Behandlung von Prostatabeschwerden bietet Shiatsu einen respektvollen und praktikablen Weg, um Beckenverspannungen zu reduzieren, das Körperbewusstsein zu verbessern und das allgemeine Wohlbefinden mit Sanftheit und Tiefe zu unterstützen.


Text: Alice Ginger Zagato
Bild: https://foto.wuestenigel.com/ by Marco Verch


Studien:
(1) McVary, K.T. et al. J Urol. 2005. 174(4 Pt 1):1327-433: Autonomic nervous system overactivity in men with lower urinary tract symptoms secondary to benign prostatic hyperplasia. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/16145413/

Sauver, J.L.St et al. Clin Auton Res. 2011;21(1):61-4. Measures of autonomic nervous system activity and lower urinary tract symptoms. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20845055/

(2) Sinsomboon, O. et al. J Tradit Complement Med 2023;13(5):521–529. Thai traditional massage modulates urinary MCP-1 and relevant inflammatory biomarkers in lower urinary tract symptom patients. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10492154/

Hagovska M. et al. World J Urol. 2024. 42(1):287. The effect of pelvic floor muscle training in men with benign prostatic hyperplasia and overactive bladder. https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC11065782/


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